Der Süchtelner Tierpark

Seine Anfänge hatte der Süchtelner Tierpark in einem Gelände hinter dem städtischen Gaswerk, auf dem man Ende der 1920er Jahre einige Rehe hielt. Da sich dort das Wild aber nicht so recht einleben wollte, entließ man die Tiere nach kurzer Gefangenschaft wieder in die Freiheit der Süchtelner Höhen. Etwa zur gleichen Zeit richtete Paul Rossie einen kleinen privat betriebenen Hirschpark auf der Ratsallee ein, gegenüber dem heutigen Busbahnhof, auf dem Grundstück der Gebäude Nummer 5 und 7. Diese Gehege wurden schnell zu beliebten Anlaufpunkten bei den sonntäglichen Familienspaziergängen und veranlassten Bürgermeister Steinbüchel, im Rahmen der Verschönerung des Stadtbildes und der Fremdenwerbung, die Errichtung eines Zoologischen Gartens anzuregen. Unter der Leitung von Herr Liesemanns und dem Stadtgärtner Weinsheimer, sowie durch Unterstützung eines Teils der Belegschaft des Gaswerkes, wurde auf dem Gelände der heutigen Johannes-Kepler Realschule ein Garten zur Beherbergung von Vögeln, Wasservögeln, kleineren Säugetieren sowie Eidechsen und anderen Terrarienbewohnern angelegt, der 1934 feierlich der Öffentlichkeit ( zur kostenlosen Nutzung am Eröffnungstage ! ) übergeben werden konnte. Später gehörte die Jahreskarte, die beim Einlass am Kassenhäuschen vorgezeigt werden mußte, zur Standardausrüstung der Jugend.

Der Tierpark bei seiner Eröffnung 1934 ( im Hintergrund Häuser der Friedens- und der Vereinsstraße )

In dieser schönen Anlage befanden sich zunächst eine Voliere, in der Eichelhäher, Elstern und Dohlen, aber auch Eichhörnchen ihr Heim hatten. Daneben befand sich eine andere noch bedeutend größere Voliere, in der sich zahlreiche einheimische und exotische Vögel fast so frei bewegen konnten, als ob sie in Freiheit wären. Darunter waren die heimischen Sänger Distelfink, Buchfink und Dompfaff, sowie ferner mehrere Kanarienvögel und Wellensittiche, die in ihrer Farbenpracht kaum zu überbieten waren. Dahinter lag die „Villa“ der Meerschweinchen und Hermelin-Kaninchen. Diesen kleinen Nagern hatte man ein eigenes Gärtchen angelegt, worin sich kleine Häuschen befanden, in die sich die Tiere zurückziehen konnten. Auf einem Rundgang erreichte man dann zwei Wasserbecken, die den Schwimmvögeln als Aufenthalt dienten. Zur Wasserversorgung benutzte man das Kondenswasser der Gasanstalt , das bis dahin nutzlos in den Kanal geflossen war, nun aber zu einer kostenlosen Wasserquelle für den Tiergarten wurde. Auf dem Wasser und der angrenzenden Wiese tummelten sich Enten aller Art, angefangen bei der heimischen Wildente bis zur türkischen Moschusente, Mandarinente und der farbenprächtigen Brautente. Auf den Wegen frei umher liefen einige Seidenhühner, die sich gerne von den Kindern füttern ließen. Ein weiteres Prachtstück des Gartens war die große Fasanwiese, die in ihrer Mitte von einem künstlich angelegten Bach durchflossen wurde. Hier sah man neben einem großen Kranich und den einheimischen Jagdfasanen eine ganze Reihe von bunten Artgenossen, wie Goldfasan, Königsfasan und Diamantfasan und den großen zutraulichen Silberfasan, der allen Besuchern entgegenlief, in der Hoffnung irgendetwas zu erhaschen.

In dem Vogelhaus mit großen Fenstern konnte man die Tiere auch dann noch betrachten, wenn sie sich in ihre Behausung zurückgezogen hatten. Darüber befand sich ein Taubenschlag, der allerlei seltene Exemplare beherbergte, unter anderem sogar ein Paar Lachmöwen. Auf dem weiteren Wege erreichte man dann die beiden Terrarien, in denen Eidechsen, Kröten und Blindschleichen aus nächster Nähe zu bewundern waren. Besonderen Zuspruch von Groß und Klein fand das „Affenhaus“. Hier lebten mehrere Rhesusäffchen, die fröhlich durch ihren Käfig sprangen und sich gerne von den Kindern mit allerlei Leckereien verwöhnen ließen. Die Freude der Kinder verwandelte sich aber beim Gehege vom großen Wolf schnell in mächtigen Respekt, denn damals kannte man die Geschichte von Rotkäppchen noch ganz genau. Weiter vorbei am Fuchsbau und hinter der Behausung der niedlichen Waschbären, erreichte man zu guter Letzt die große Hirschwiese, wo das vormals im Hirschpark untergebrachte Damm- und Rotwild ein neues Heim gefunden hatte. Hier herrschte der mächtige Dammhirsch „Scholli“, der durch  sein weithin vernehmbares Röhren jedem kund tat, daß er der unangefochtene König des Süchtelner Tierparks war.

Ansichtskarte vom Süchtelner Tierpark

Dieses und die folgenden Farb-Fotos entstanden 1936 im Süchtelner Tierpark mit dem ersten Agfa-Farbfilm. Aufgenommen von Wilhelm Ling mit dem Agfacolor Dreischicht-Farbfilm ( Farbumkehrfilm von 1936 ).

Der botanische Garten

Das Gelände davor, der heutige Von-Hagen-Platz zwischen Realschule und Busbahnhof, war schon vor der Einrichtung des Tierparks eine öffentliche Gartenanlage, die sich in den folgenden Jahren unter der fachkundigen Hand des Stadtgärtners Weinsheimer in einen wunderschönen botanischen Garten verwandelte. Neben allerlei liebevoll gepflegten Blumenrabatten, mit heimischen und exotischen Pflanzen aller Art, sowie Busch- und Strauchwerk, legte man kleine Teiche mit Wasserpflanzen an und über sauber gehaltene Wege erreichte man im hinteren Teil den Rosengarten, der mehr als einhundert verschiedene Rosenarten vorzuweisen hatte. Eingerahmt wurde der ganze Garten von den unterschiedlichsten, im Frühjahr wundervoll blühenden Bäumen. Dieses einmalige Zusammenspiel von Tier- und Pflanzenwelt war für viele Jahre ein Anziehungspunkt für Besucher von Nah und Fern. Besonders an den Wochenenden kamen, wegen der vielen Erholungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten die Süchteln neben dem Zoologischen und dem Botanischen Garten noch zu bieten hatte, oftmals Tausende aus den umliegenden Städten und Gemeinden und es kam sogar vor, daß die Krefelder Eisenbahngesellschaft einen Sonderzug einsetzen mußte, um ganze Firmenbelegschaften auf ihrem Betriebsausflug nach Süchteln zu transportieren.

Das Ende für diese beiden Attraktionen kam mit dem zu Ende gehenden zweiten Weltkrieg. Aufgrund der wirtschaftlich und politisch schwierigen Situation konnten die Anlagen nicht mehr gepflegt werden und 1944 wurde das Gelände des botanischen Gartens für Notunterkünfte gebraucht. Hier wurden vier Behelfsheime in Steinbauweise errichtet, deren Steine vor Ort hergestellt wurden. Sie dienten ursprünglich ausgebombten Krefeldern als vorläufiger Unterschlupf, blieben jedoch bis zum Bau der Realschule 1957 bewohnt. Die Tiere aus dem Zoologischen Garten wurden spätestens beim Einmarsch der Besatzungstruppen geschlachtet oder freigelassen und nur ein einziges von ihnen konnte gerettet werden. Der große Kranich lebte noch einige Jahre im Garten hinter dem Süchtelner Rathaus, bevor er dann 1949 zur artgerechten Haltung für 200,- DM an den Duisburger Zoo verkauft wurde. Der hiesige Tierpark unterhielt schon vor dem Kriege beste Beziehungen zu vielen Zoologischen Gärten Deutschlands. In den Jahren 1947 und 1948 boten namentlich der Zoologische Garten Mannheim Käfertal und der Tiergarten Gronau den Süchtelnern ihre Unterstützung beim Wiederaufbau an. Die vom Verschönerungsverein zwischen 1951 und 1953 bei der Stadtverwaltung eingebrachten Anträge zu einer Neuanlage eines Tierparks, diesmal in den Süchtelner Höhen zwischen Äquatorweg und Jugendherberge, wurden jedoch vom Haupt- und Finanzausschuss aus Kostengründen abgelehnt.

Ein Teil des botanischen Gartens ( Blickrichtung Ratsallee )

Teichanlage im botanischen Garten ( Im Hintergrund: Häuser der Friedensstr. )

Ansichtkarte vom botanischen Garten in Süchteln

Diese und die folgenden Aufnahmen vom Botanischen Garten in Süchteln verdanken wir ebenfalls Wilhelm Ling. Sie vermitteln einen lebendigen Eindruck der hier vorhandenen üppigen Pflanzenwelt und der mit viel Liebe gepflegten Anlage.

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