Der Reformator Johann von Süchteln

Die Zahl der Reformatoren im 16. Jahrhundert war nicht gerade gering, da die Unzufriedenheit der gläubigen Christen überall öffentlich zu Tage trat. Als Martin Luther 1517 seine Thesen an die Türe der Wittenberger Schlosskirche nagelte, war er längst nicht der einzige, der nach einer neuen Glaubensausrichtung strebte.

Im Jahre 1534, im selben Jahr, als die Wiedertäufer um Jan ( van Leiden ) Bockelson mit der Übernahme des Rathauses die Macht über die Stadt Münster ergriffen, gab es in Süchteln ihre ersten Glaubensbrüder. Ihre intensivsten Verbindungen pflegten die Süchtelner Wiedertäufer zu dieser Zeit zu den Gemeinden im niederländischen Venlo. Obwohl die Macht der Wiedertäufer in Münster bereits ein Jahr später niedergeschlagen wurde und man ihre gerichteten Anführer in Käfigen am Turm der Lambertuskirche zur Schau stellte, hielt sich die neue „Religion“ in Süchteln bis 1565. Danach sind keine Spuren von Wiedertäufern in den hiesigen Chroniken vermerkt.

Aber schon ein Jahr später hielt der Kaplan Peter von Titz in der Pfarrkirche St.Clemens die erste reformierte Predigt im lutherischen Sinne und wurde deshalb 1567 von seinem Amte abgelöst. Er war später als Prediger in Otzenrath und 1572 auch in Köln tätig. Nach der Entfernung des Peter von Titz setzten seine Süchtelner Freunde das begonnene Werk fort, kamen heimlich zusammen und stärkten ihren Glauben gegenseitig durch Unterweisung und Lesen des göttlichen Wortes sowie durch Gesang und Gebet. Indessen ließ der Brüggener Vogt Joachim Hagk im April 1567 durch den Gerichtsboten in der Kirche zu Süchteln einen neuen herzoglichen Befehl verlesen, daß in seinen Landen keine Neuerung in kirchlichen Diensten erfolgen dürfe.

Der hierbei mitanwesende Süchtelner Tillmann Stuper ( 1566 Bürgermeister in Süchteln ) rief mit lauter Stimme dazwischen, daß eine solche Anordnung nicht vom Fürsten ausgegangen und nicht wahr sein könne, deswegen auch nicht zu beachten sei. Weil man in diesem Unterfangen einen freventlichen Verstoß gegen die Ordnung erblickte und darüber hinaus auch eine Aufreizung des gemeinen Volkes zum Aufruhr und Ungehorsam, erhob der Generalanwalt Wilhelm von Hasenvelt am 19. April gegen Tillmann Stuper eine Klage beim Hauptgericht in Jülich.
Wenige Wochen später, am 30. August 1567 mußte sich noch ein anderer ehrwürdiger Eingesessener aus Süchteln, Johann Buggenum ( 1560 Bürgermeister in Süchteln ), vor dem Hauptgericht in Jülich verantworten. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er ein ungehorsamer und widerwilliger Verspötter der katholischen Kirche und ihrer Diener sei. Im besonderen aber habe er angeblich in der Süchtelner Pfarrkirche St.Clemens, als der Priester mit den Sängern den Psalm „Gott, merk auf meine Hilfe“ anstimmte, höhnisch wie ein schrecklicher Hund geheult. Johann bestritt allerdings, sich ungehörig verhalten und den Gottesdienst gestört zu haben, und entgegnete, daß die Klage nur von seinen mißgünstigen Widersachern erfolgt sein könnte.
In beiden Fällen ist das ergangene Urteil nicht bekannt.

Kommen wir nun zu dem in Köln tätigen Reformator Johann von Süchteln.
Ob es sich bei ihm tatsächlich um den oben genannten Johann Buggenum handelt und unter welchen Einwirkungen er wann genau seine Vaterstadt Süchteln verlassen hat, ist heute leider nicht mehr belegbar. Aber gerade in jener Zeit begegnen wir in der Geschichte der reformierten Gemeinde der Stadt Köln vielfachen Beziehungen zu den Glaubensbrüdern am Niederrhein, besonders zu den Süchtelner Protestanten. Zeitweise gehörten die Kölner Reformierten, zusammen mit den niederrheinischen Gemeinden, dem gleichen Konvent an. Hierzu zählten unter anderem Düsseldorf, Gladbach, Neuß, Kempen und Süchteln.
Unter den Mitgliedern der Gemeinde, die gefänglich eingezogen oder sonst den katholischen Glaubenseifer des Kölner Rates empfindlich zu spüren bekamen, wird der Kaufmann „Johann von Süchteln“ genannt. Dieser aus Süchteln stammende Wollweber hatte es bei seinen Zunftgenossen in Köln zu hohem Ansehen gebracht, so daß er von ihnen am Christfest 1580 als Ratsherr gewählt wurde. Die Ratskammer aber lehnte ihn am 1. Februar 1581 ab und begründete ihren Entschluß damit, daß Johann von Süchteln „der Religion verdächtig sei“, auch vorher im Lande Meißen, wo der Protestantismus bereits stark verbreitet war, sich aufgehalten habe.

Im folgenden Jahr machte Johann erneut von sich reden, indem er am 6. Juni 1582 als Mitglied einer dreiköpfigen Deputation angesehener protestantischer Kaufleute erscheint, die dem Kölner Rat eine Bittschrift überreichte. Der Rat sollte seine Erlaubnis zur ungestörten Ausübung ihrer Religion und zur Erbauung einer protestantischen Kirche erteilen. Johann verwies namentlich darauf, daß nicht nur einige, sondern wohl 400 Bürger der Stadt, abgesehen von Fremden, das Begehren hätten, ihre Religionsübungen halten zu können. Der Kölner Rat, von dem Bestreben geleitet, ein Aufkommen der protestantischen Lehre innerhalb der Kölner Mauern, unter allen Umständen zu verhüten, setzte einen Haftbefehl gegen Johann von Süchteln und seine beiden Supplikanten ( Supplik: lat. Bittgesuch ) aus und sperrte sie wenig später in den Turm. Ihre Häuser wurden geschlossen und ihnen geschäftliche Betätigung untersagt. Gleichzeitig setzte eine allgemeine Verfolgung der Kölner Protestanten ein.

Am 3. Dezember 1582 wurde dem Rat, im Auftrage der „Augsburgischen Confessionsverwandten“, eine neue Eingabe übermittelt, worin gebeten wurde, „die wegen der am 6. Juni eingereichten Bittschrift zu Thurm gebrachten Johann von Süchteln nebst Gefährten von aller Bedrängnis zu befreien“. Unter den Unterzeichnern dieses Gesuches befand sich auch ein Johann von Kempen. Weiter bemühten sich um die Gefangenen, wie überhaupt um die Rechte der Protestanten, die im Dezember nach Köln geschickten Räte und Bevollmächtigten der Pfalzgrafen Johann, Ludwig, Johann Casimir und Reinhard, jedoch ebenfalls ohne Erfolg. In einem zweiten Schreiben an den Kölner Rat vom 30. Dezember klagten die pfalzgräflichen Abgesandten, daß Johann von Süchteln nebst Gefährten, „gegen die criminaliter ohne Ursache procedirt werden solle, noch bis auf diese Stunde gefangen gehalten würden, ihre Läden und Waaren zu ihrem höchsten Verderben und zur Bestreitung ihrer Nahrung verschlossen seien.“ Der Rat glaubte auf dieses Ansuchen nicht eingehen zu können. Nochmals, und zwar am 3. Januar 1583, verwandten sich die pfalzgräflichen Beauftragten des Herzogs Wilhelm des Reichen von Jülich-Berg für den inhaftierten Johann von Süchteln.

Wann und ob er je aus der Haft entlassen wurde und wie sein ferneres Schicksal war, ist aus den wenigen vorhandenen Aufzeichnungen nicht mehr zu ersehen. Da aber um das Jahr 1593 die Einstellung des Kölner Rates den Protestanten gegenüber noch feindseliger wurde, so ist anzunehmen, daß auch Johann von Süchteln - wie er genannt wurde - gleich vielen anderen, durch den Generalrichter zum Stadttor “hinausgeführt”, d.h. ausgewiesen und aller Besitztümer und Rechte beraubt wurde.

Jede Kirche hat ihre Dulder und Märtyrer und auch Johann von Süchteln gehört zu den tapferen und dabei unbekannten Kämpfern für seine Sache.

Martin Luther begründete die Kirchenspaltung und ebnete so auch den Weg für Protestanten wie Johann und für die evangelische Gemeinde Süchteln

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